DER WOLFKATZENELF
Was für ein stolzer
Mann, dachte Nasuada, als sie Roran
hinterherschaute. Interessant, er und
Eragon ähneln sich in vielerlei Hinsicht, und doch haben die beiden
ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Eragon mag ja einer der
gefährlichsten Krieger Alagaësias sein, aber er ist trotzdem kein
gefühlloser oder grausamer Mensch. Roran dagegen ist aus härterem
Holz geschnitzt. Hoffentlich kommt er mir nie in die Quere. Ich
müsste ihn vernichten, um ihn aufzuhalten.
Sie überprüfte ihre Verbände, die noch
sauber waren, dann läutete sie nach Farica und verlangte etwas zu
essen. Als die Magd es ihr gebracht und das Zelt wieder verlassen
hatte, gab Nasuada Elva ein Zeichen, die daraufhin aus ihrem
Versteck hinter dem Vorhang kam. Gemeinsam machten sie sich über
die Mahlzeit her.
Die nächsten paar Stunden verbrachte Nasuada
damit, die neuesten Inventarlisten der Varden durchzusehen;
auszurechnen, wie viele Wagentrecks sie brauchen würde, um ihre
Männer weiter nach Norden zu versetzen; und Zahlenkolonnen zu
addieren und zu subtrahieren, die die Finanzen ihrer Armee
widerspiegelten. Sie sandte Botschaften an die Zwerge und Urgals,
wies die Waffenschmiede an, die Speerspitzen-Produktion zu erhöhen,
drohte dem Ältestenrat - wie fast jede Woche - mit seiner Auflösung
und kümmerte sich auch ansonsten um die Angelegenheiten der Varden.
Dann ritt sie mit Elva an der Seite auf ihrem Hengst Donnerkeil
aus, um sich mit Trianna zu treffen. Die Zauberin war gerade dabei,
einen von Galbatorix’ Agenten zu verhören, ein Mitglied der
Schwarzen Hand.
Als sie mit Elva Triannas Zelt wieder
verließ, bemerkte Nasuada in Richtung Norden einen Tumult. Sie
hörte Jubelrufe, dann tauchte ein Mann zwischen den Zelten auf und
lief auf sie zu. Ohne ihren Befehl abzuwarten, bildeten die
Nachtfalken einen dichten Ring um sie, bis auf einen der Urgals,
der sich dem Läufer in den Weg stellte und dabei seine Keule in der
Hand wog. Der Mann blieb stehen und rief keuchend: »Herrin! Die
Elfen kommen! Die Elfen sind hier!«
Für einen Moment dachte Nasuada, er meine
Königin Islanzadi und ihre Armee. Doch dann erinnerte sie sich,
dass Islanzadi in Ceunon war, und nicht mal ein Elfenheer konnte in
knapp einer Woche quer durch Alagaësia reisen. Es müssen die zwölf Magier sein, die Islanzadi zu
Eragons Schutz geschickt hat.
»Schnell, mein Pferd«, sagte sie und
schnippte mit den Fingern. Ihre Unterarme brannten, als sie sich
auf Donnerkeil schwang. Sie wartete gerade so lange, wie der
nächste Urgal brauchte, um ihr Elva hinaufzureichen, dann gab sie
dem Pferd die Sporen. Seine Muskeln spannten sich unter ihr, als es
sofort in Galopp fiel. Sie beugte sich tief über seinen Kopf und
jagte es durch eine holprige Gasse zwischen zwei Zeltreihen, dass
Mensch und Tier zurückwichen und eine Regentonne, die im Weg stand,
im hohen Bogen in die Gegend flog. Die Leute schienen es ihr nicht
übel zu nehmen, sondern rannten lachend hinter ihr her, um die
Elfen mit eigenen Augen zu sehen.
Als sie den nördlichen Rand des Lagers
erreicht hatten, stiegen sie und Elva vom Pferd und suchten den
Horizont ab.
»Da«, sagte Elva und streckte den Arm
aus.
In fast zwei Meilen Entfernung tauchten
hinter einer Gruppe von Wacholderbäumen zwölf hohe, schlanke
Gestalten auf, deren Umrisse in der Vormittagshitze flirrten. Die
Elfen liefen im Gleichschritt, so leichtfüßig und schnell, dass sie
über die Ebene zu fliegen schienen. Nasuadas Kopfhaut kribbelte.
Die Bewegungen der Elfen waren anmutig und gespenstisch zugleich.
Sie erinnerten Nasuada an ein Rudel Raubtiere auf der Jagd und sie
verspürte dieselbe Art von Gefahr wie damals im Beor-Gebirge, als
sie einem Shrrg, einem Riesenwolf, begegnet war.
»Beeindruckend, nicht wahr?«
Erschrocken stellte Nasuada fest, dass
Angela neben ihr stand. Es ärgerte sie und gleichzeitig war sie
fasziniert davon, wie die Kräuterhexe sich völlig lautlos an sie
herangeschlichen hatte. Es wäre ihr lieber gewesen, Elva hätte sie
gewarnt. »Wie stellst du es eigentlich an, immer dort aufzutauchen,
wo gleich etwas Interessantes passiert?«
»Nun ja, ich weiß eben gern, was sich tut,
und an Ort und Stelle erfährt man doch viel schneller, was los ist,
als wenn man darauf wartet, dass es einem jemand erzählt. Außerdem
vergessen die Leute immer etwas Wichtiges, wie zum Beispiel, dass
einer einen längeren Ringfinger als Zeigefinger hat, sich mit
magischen Schilden schützt oder einen Esel mit einem hellen Fleck
in Form eines Hahnenkopfes reitet. Findet Ihr nicht?«
Nasuada runzelte die Stirn. »Du verrätst
wohl nie eines deiner Geheimnisse, was?«
»Wozu sollte das gut sein? Alle würden sich
nur über irgendeinen albernen Zauberspruch aufregen und dann müsste
ich stundenlange Erklärungen abgeben und am Ende würde König Orrin
mir den Kopf abschlagen wollen und ich müsste mich auf der Flucht
mit der Hälfte Eurer Magier herumschlagen. Die Mühe ist es einfach
nicht wert, wenn Ihr mich fragt.«
»Deine Antwort klingt nicht gerade
vertrauenerweckend. Aber...«
»Das kommt davon, dass Ihr zu ernst seid,
Nachtjägerin.«
»Aber sag mal«, hakte Nasuada nach, »warum
willst du wissen, ob irgendjemand auf einem Esel reitet, der einen
hellen Fleck in Form eines Hahnenkopfes hat?«
»Ach das. Na ja, der Kerl hat mich mal beim
Astragaloi um drei Knöpfe und einen ziemlich interessanten
verzauberten Kristall betrogen.«
»Du hast dich
reinlegen lassen?«
Angela schürzte die Lippen, offensichtlich
erbost. »Die Astragale waren aufgeladen. Ich hatte sie extra
präpariert, aber dann hat er sie einfach gegen seine eigenen
ausgetauscht, als ich abgelenkt war... Ich weiß bis heute nicht,
wie er das angestellt hat.«
»Dann habt ihr euch also gegenseitig
betrogen?«
»Es war ein wertvoller Kristall! Außerdem,
wie kann man einen Betrüger betrügen?«
Ehe Nasuada antworten konnte, kamen die
sechs Nachtfalken aus dem Lager gestampft und bezogen um sie herum
Aufstellung. Sie verbarg ihren Ekel vor der Hitze und dem Geruch
ihrer Körper. Die Ausdünstungen der beiden Urgals waren besonders
penetrant. Dann sprach sie zu ihrer Überraschung der Hauptmann der
Wache an, ein stämmiger Bursche mit einer Hakennase namens Garven.
»Herrin, darf ich um ein Wort unter vier Augen bitten?«, presste er
zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als könne er sich nur
mühsam beherrschen.
Angela und Elva sahen Nasuada fragend an.
Als sie nickte, entfernten sich die beiden in westliche Richtung
zum Fluss hin. Sobald Nasuada sicher war, dass sie außer Hörweite
waren, wollte sie etwas sagen, aber Garven fuhr ihr über den Mund
und schimpfte: »Verdammt, Herrin, das hättet Ihr nicht tun
sollen!«
»Friedlich, Hauptmann«, erwiderte sie. »Das
Risiko war gering, und ich wollte rechtzeitig hier sein, um die
Elfen zu begrüßen.«
Garvens Rüstung klirrte, als er die Faust
gegen seinen Oberschenkel hieb. »Ein geringes Risiko? Erst vor kaum
einer Stunde habt Ihr den Beweis erhalten, dass Galbatorix immer
noch Spione in unseren Reihen hat. Er hat es wieder geschafft, die
Varden zu unterwandern, und da haltet Ihr es für angebracht, ohne
Eure Eskorte einer Horde potenzieller Meuchelmörder in die Arme zu
laufen? Habt Ihr den Angriff in Aberon schon vergessen oder wie die
Zwillinge Euren Vater umgebracht haben?«
»Hauptmann Garven! Ihr geht zu weit.«
»Ich werde noch weiter gehen, wenn Euer
Leben auf dem Spiel steht, Herrin.«
Die Elfen hatten inzwischen die Entfernung
zwischen sich und dem Lager auf die Hälfte verkürzt. Wütend und
ungeduldig sagte sie: »Ich bin nicht ohne Schutz, Hauptmann.«
Mit einem kurzen Blick in Elvas Richtung
sagte Garven: »Das dachten wir uns bereits, Herrin.« Es entstand
eine Pause, als hoffe er auf genauere Auskünfte. Als sie schwieg,
trat er den Rückzug an: »Wenn Ihr sicher wart, dann habe ich Euch
zu Unrecht des Leichtsinns bezichtigt und entschuldige mich dafür.
Aber Sicherheit und der Anschein von Sicherheit sind trotzdem zwei
verschiedene Dinge. Um effizient zu sein, müssen die Nachtfalken
die schlagkräftigsten, brutalsten und gemeinsten Krieger im ganzen
Land sein, und die Leute müssen uns auch für die Schlagkräftigsten,
Brutalsten und Gemeinsten halten. Sie müssen glauben, dass wir sie stoppen werden, wenn sie
versuchen, Euch zu erdolchen oder mit Pfeil und Bogen zu erschießen
oder Magie gegen Euch einzusetzen. Wenn sie glauben, dass ihre
Chance, Euch umzubringen, ungefähr so groß ist wie die einer Maus,
einen Drachen zu erlegen, dann werden sie es möglicherweise gar
nicht erst versuchen, und wir können Anschläge verhindern, ohne
überhaupt einen Finger rühren zu müssen.
Wir können nicht gegen all Eure Feinde
kämpfen, Herrin. Dazu bräuchte es eine ganze Armee. Selbst Eragon
könnte Euch nicht beschützen, wenn alle, die Euren Tod wünschen,
den Mut hätten zu handeln. Ihr würdet vielleicht hundert Anschläge
überleben oder auch tausend, aber schließlich würde einer gelingen.
Das können wir nur verhindern, indem wir die Mehrzahl Eurer Feinde
davon überzeugen, dass sie niemals an den Nachtfalken vorbeikommen
werden. Unser Ruf ist ein ebenso mächtiger Schutz wie unsere Waffen
und Rüstungen. Und dem tut es nicht gut, wenn man Euch alleine
sieht. Wir müssen zweifellos wie ein Haufen Dummköpfe gewirkt
haben, wie wir da hinter Euch herrannten. Wenn Ihr schon keinen Respekt vor uns habt, Herrin,
warum sollten ihn dann andere haben?«
Er trat näher und sagte leise: »Wir werden
mit Freuden für Euch sterben, wenn es sein muss. Wir verlangen
dafür nur, dass Ihr uns unsere Pflicht tun lasst. Gewährt uns diese
vergleichsweise kleine Gunst. Und der Tag wird kommen, da werdet
ihr froh sein, dass wir da sind. Eure Beschützerin ist ein Mensch
und deshalb fehlbar, ganz gleich, über welche geheimnisvollen
Kräfte sie verfügt. Sie hat nicht die Eide in der alten Sprache
geschworen wie wir. Ihre Haltung zu Euch könnte sich ändern, und
Ihr tätet gut daran, über die Folgen nachzudenken, sollte sie sich
gegen Euch wenden. Die Nachtfalken werden Euch nie verraten. Wir
gehören Euch, ganz und gar. Lasst also die Nachtfalken tun, was von
ihnen erwartet wird... Lasst uns Euch beschützen.«
Anfangs hatte seine Rede Nasuada
kaltgelassen, aber seine Eindringlichkeit und die Klarheit seiner
Argumente beeindruckten sie doch. Er war ein Mann, der sich noch
als wertvoll erweisen konnte, dachte sie. »Ich sehe, Jörmundur hat
mich mit Kriegern umgeben, die mit der Zunge ebenso gewandt sind
wie mit dem Schwert«, sagte sie lächelnd.
»Herrin.«
»Ihr habt recht. Ich hätte auf Euch warten
sollen und es tut mir leid. Es war rücksichtslos und unbedacht. Ich
habe mich noch nicht daran gewöhnt, den ganzen Tag von Leibwächtern
umgeben zu sein, und manchmal vergesse ich einfach, dass ich mich
nicht mehr so frei bewegen kann wie früher. Ihr habt mein
Ehrenwort, Hauptmann Garven, es soll nicht wieder vorkommen. Ich
möchte die Nachtfalken ebenso wenig in Misskredit bringen wie
Ihr.«
»Danke, Herrin.«
Nasuada wandte sich wieder nach den Elfen
um, aber sie durchquerten gerade ein ausgetrocknetes Flussbett eine
Viertelmeile entfernt und waren außer Sicht. »Mir fällt gerade ein,
Garven, dass Ihr eben vielleicht einen guten Leitspruch für die
Nachtfalken gefunden habt.«
»So? Ich kann mich nicht erinnern.«
»Doch. ›Die Schlagkräftigsten, Brutalsten
und Gemeinsten‹, habt Ihr gesagt. Das wäre doch ein gutes Motto,
vielleicht ohne das ›und‹. Wenn es dem Ruf der Nachtfalken dient,
solltet Ihr Trianna den Spruch in die alte Sprache übersetzen
lassen. Ich ordne dann an, dass man die Worte in eure Schilde
graviert und eure Fahnen damit bestickt.«
»Ihr seid sehr großzügig, Herrin. Wenn wir
wieder in unsere Zelte zurückgekehrt sind, werde ich die Sache mit
Jörmundur und den anderen Hauptmännern besprechen. Aber...«
Er zögerte, und Nasuada, die ahnte, was er
auf dem Herzen hatte, sagte: »Aber Ihr macht Euch Sorgen, ob das
für Männer in Eurer Position nicht zu vulgär klingt, und hättet
lieber etwas Erhabeneres und Klangvolleres, habe ich recht?«
»Genau, Herrin«, gab er erleichtert
zu.
»Das halte ich für eine berechtigte
Überlegung. Schließlich repräsentieren die Nachtfalken die Varden
und ihr habt es bei der Erfüllung eurer Pflichten mit angesehenen
Vertretern aller Völker und Ränge zu tun. Da wäre es bedauerlich,
wenn ihr einen schlechten Eindruck machen würdet... Nun gut, dann
überlasse ich es Euch und Euren Kameraden, einen angemessenen
Leitspruch zu finden. Ich bin sicher, ihr werdet das ausgezeichnet
machen.«
In diesem Moment tauchten die zwölf Elfen
aus dem trockenen Flussbett auf, und Garven zog sich diskret ein
Stück zurück, nachdem er sich noch mehrmals bedankt hatte. Nasuada
bereitete sich innerlich auf den Staatsbesuch vor und bedeutete
Angela und Elva zurückzukommen.
Als er noch einige Hundert Fuß von ihnen
entfernt war, wirkte der Anführer der Elfen von Kopf bis Fuß
pechschwarz. Zuerst dachte Nasuada, er wäre dunkelhäutig wie sie
und trüge schwarze Kleider. Doch als er näher kam, erkannte sie,
dass der Elf lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet war und
einen geflochtenen Stoffgürtel mit einem Beutel daran trug.
Ansonsten war er mit mitternachtsblauem Fell bedeckt, das in der
Sonne glänzte. Im Allgemeinen war dieser Pelz ziemlich kurz - eine
glatte, geschmeidige Rüstung, unter der sich die Muskeln deutlich
abzeichneten -, doch an den Fußknöcheln und Innenseiten der
Unterarme war er eine halbe Handbreit lang. Zwischen den
Schulterblättern wuchs eine struppige Mähne, die senkrecht vom
Körper abstand und sich über den gesamten Rücken bis zum Steißbein
zog. Ein fransiger Pony beschattete die Brauen und an den spitzen
Ohren sprossen luchsähnliche Haarbüschel. Ansonsten waren die
Härchen im Gesicht so kurz und fein, dass nur ihre blaue Farbe sie
verriet. Die Augen waren leuchtend gelb. Statt Fingernägeln ragte
aus jedem der Mittelfinger eine Klaue hervor. Und als der Elf vor
Nasuada stehen blieb, fiel ihr auf, dass ihn ein ganz bestimmter
Duft umgab: eine Mischung aus Moschus, trockenen Kiefernwäldern,
geöltem Leder und Rauch. Der Geruch war so intensiv und so
unverkennbar männlich, dass es Nasuada abwechselnd heiß und kalt
wurde. Ihre Haut kribbelte vor Aufregung, und sie errötete und war
heilfroh, dass man es ihr wenigstens nicht ansah.
Die restlichen Elfen sahen eher so aus, wie
sie es erwartet hatte. In Gestalt und Hautfarbe ähnelten sie Arya,
mit kurzen dunkelorangefarbenen und kiefernnadelgrünen Wämsern. Es
waren sechs Männer und sechs Frauen. Sie hatten alle rabenschwarze
Haare, mit Ausnahme von zwei Frauen, deren Haar wie Sternenlicht
schimmerte. Es war unmöglich, ihr Alter zu bestimmen, denn ihre
glatten Gesichter zeigten keinerlei Falten. Es waren neben Arya die
ersten Elfen, denen Nasuada begegnete, und sie brannte darauf,
herauszufinden, ob Arya eine typische Vertreterin ihres Volkes
war.
Der Anführer legte jetzt, ebenso wie seine
Gefährten, zwei Finger an die Lippen und verbeugte sich. Dann
drehte er die rechte Hand vor der Brust und sagte: »Seid gegrüßt
und beglückwünscht, Nasuada, Tochter von Ajihad. Atra Esterní ono thelduin.« Sein Akzent war stärker
als Aryas, ein rhythmischer Singsang, der seine Worte in Musik
verwandelte.
»Atra du Evarínya ono
varda«, erwiderte Nasuada seinen Gruß, wie sie es von Arya
gelernt hatte.
Der Elf lächelte und entblößte Zähne, die
spitzer waren als gewöhnlich. »Ich bin Bloëdhgarm, Sohn von Ildrid
der Schönen.« Er stellte die anderen Elfen vor, ehe er fortfuhr:
»Wir bringen Euch glückliche Kunde von Königin Islanzadi. Letzte
Nacht ist es unseren Magiern gelungen, die Tore von Ceunon zu
zerstören. In diesem Augenblick rücken unsere Truppen durch die
Straßen der Stadt zu dem Turm vor, in dem sich Fürst Tarrant
verbarrikadiert hat. Einige wenige leisten noch Widerstand, aber
die Stadt ist besetzt und wir werden Ceunon bald ganz unter unserer
Kontrolle haben.«
Nasuadas Leibwächter und die hinter ihnen
versammelten Varden brachen in Jubelrufe aus. Nasuada freute sich
auch über den Sieg, aber böse Ahnungen und eine gewisse Unruhe
dämpften ihre Hochstimmung. Ihr stand plötzlich vor Augen, wie
Elfen - so starke wie Bloëdhgarm - in die Häuser der Menschen
eindrangen. Welche unheimlichen Mächte
habe ich da entfesselt?, fragte sie sich. Dann sagte sie:
»Das sind wirklich gute Nachrichten, und ich bin sehr erfreut, sie
zu vernehmen. Nachdem Ceunon eingenommen ist, sind wir Urû’baen
schon ein Stück näher gerückt und damit auch Galbatorix und dem
Ziel unserer Bemühungen.« Dann fügte sie weniger förmlich hinzu:
»Ich hoffe, Königin Islanzadi wird die Menschen von Ceunon mit
Sanftmut behandeln, jedenfalls jene, die nichts für Galbatorix
übrighaben, aber nicht die Mittel oder den Mut besitzen, sich dem
Imperium entgegenzustellen.«
»Königin Islanzadi lässt gegenüber ihren
Untertanen, selbst wenn sie es gegen ihren Willen sind, stets Milde
und Barmherzigkeit walten. Aber falls jemand es wagt, sich uns in
den Weg zu stellen, dann fegen wir ihn hinweg wie die Herbststürme
das Laub.«
»Ich erwarte nicht weniger von einem Volk,
das so alt und mächtig ist wie Eures«, gab Nasuada zurück. Nachdem
der Höflichkeit mit ein paar weiteren zunehmend banaleren Floskeln
Genüge getan war, hielt Nasuada es für angebracht, nach dem Grund
für den Besuch der Elfen zu fragen. Sie ordnete an, dass die
versammelte Menge sich zerstreuen möge, dann sagte sie: »Wie ich es
verstehe, habt Ihr die Absicht, Eragon und Saphira zu beschützen.
Ist das richtig?«
»So ist es, Nasuada Svit-kona. Und wir
wissen, dass sich Eragon noch im Imperium aufhält, aber bald
zurückkehren wird.«
»Wisst Ihr auch, dass Arya aufgebrochen ist,
um ihn zu suchen, und dass sie jetzt zusammen unterwegs
sind?«
Bloëdhgarms Ohrenspitzen zuckten. »Davon
sind wir ebenfalls unterrichtet worden. Es ist bedauernswert, dass
sie beide sich in solcher Gefahr befinden, aber es wird ihnen
hoffentlich nichts geschehen.«
»Und was werdet Ihr jetzt tun? Werdet Ihr
sie suchen und zu den Varden zurückbringen? Oder wollt Ihr hier
warten und hoffen, dass Eragon und Arya sich selbst gegen
Galbatorix’ Häscher verteidigen können?«
»Wir werden als Eure Gäste hierbleiben,
Nasuada, Tochter von Ajihad. Eragon und Arya sind sicher genug,
solange sie darauf achten, nicht entdeckt zu werden. Sie durch das
Imperium zu begleiten, könnte unerwünschte Aufmerksamkeit erregen.
Unter den gegebenen Umständen scheint es uns das Beste, den
richtigen Zeitpunkt dort abzuwarten, wo wir etwas Gutes tun können.
Galbatorix wird höchstwahrscheinlich bei den Varden zuschlagen, und
falls er das tut und Murtagh und Dorn wieder auftauchen sollten,
wird Saphira unsere volle Unterstützung brauchen, um sie zu
vertreiben.«
Nasuada war überrascht. »Eragon hat zwar
erzählt, dass Ihr zu den größten Magiern Eures Volkes gehört, aber
habt Ihr wirklich die Macht, dieses verfluchte Gespann in Schach zu
halten? Wie Galbatorix haben sie Kräfte, die weit über die eines
normalen Drachenreiters hinausgehen.«
»Ja, mit Saphiras Hilfe können wir Dorn und
Murtagh die Stirn bieten oder sie sogar besiegen. Daran glaube ich.
Wir wissen, wozu die Abtrünnigen fähig waren, und auch wenn
Galbatorix Dorn und Murtagh wahrscheinlich mehr Stärke übertragen
hat als je einem der Abtrünnigen, so hat er sie doch ganz sicher
nicht zu seinesgleichen gemacht. Wenigstens in dieser Hinsicht
wirkt sich seine Angst vor Verrat zu unserem Vorteil aus. Selbst
drei der Abtrünnigen könnten uns zwölf und einen Drachen nicht
schlagen. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass wir uns gegen alle
außer Galbatorix behaupten können.«
»Das ist ermutigend. Seit Eragon von Murtagh
besiegt wurde, habe ich mich gefragt, ob wir uns nicht lieber
zurückziehen und abwarten sollten, bis Eragon stärker geworden ist.
Eure Versicherungen überzeugen mich, dass unsere Sache nicht
hoffnungslos ist. Wir wissen vielleicht noch nicht, wie wir
Galbatorix selbst töten können, aber nichts wird uns stoppen, bevor
wir nicht die Tore seiner Zitadelle in Urû’baen niederreißen oder
er beschließt, auf Shruikan loszufliegen und uns auf dem
Schlachtfeld anzugreifen.« Sie hielt inne. »Ihr habt mir keinen
Grund gegeben, Euch zu misstrauen, Bloëdhgarm, aber bevor Ihr unser
Lager betretet, muss ich Euch bitten, einem meiner Männer zu
erlauben, Euch alle zu überprüfen. Nur um sicherzugehen, dass Ihr
wirklich Elfen seid und nicht verkleidete Menschen, die Galbatorix
geschickt hat. Es schmerzt mich, Euch darum bitten zu müssen, aber
wir werden immer wieder von Spionen und Verrätern heimgesucht und
wagen es nicht mehr, uns auf irgendjemandes Wort zu verlassen. Es
ist nicht meine Absicht, Euch zu beleidigen, aber der Krieg hat uns
gelehrt, dass solche Vorsichtsmaßnahmen notwendig sind. Sicher
könnt Ihr, die Ihr in Du Weldenvarden jedes Blatt mit Schutzzaubern
versehen habt, meine Gründe verstehen. Seid Ihr also damit
einverstanden?«
Bloëdhgarms Augen funkelten zornig, und er
bleckte die Zähne, als er sagte: »Die meisten Bäume in Du
Weldenvarden haben Nadeln, keine Blätter. Überprüft uns, wenn es
sein muss, aber ich warne Euch: Wem auch immer Ihr diesen Auftrag
erteilt, er sollte gut aufpassen, dass er nicht zu tief in unser
Bewusstsein eindringt, sonst könnte er sich hinterher seines
Verstandes beraubt finden. Für Sterbliche ist es gefährlich, in
unseren Gedanken herumzuspazieren. Sie können sich leicht darin
verirren und nicht mehr in ihre eigenen Körper zurückfinden. Auch
stehen unsere Geheimnisse nicht zur allgemeinen Besichtigung
bereit.«
Nasuada hatte verstanden. Die Elfen würden
jeden vernichten, der sich auf verbotenes Territorium begab.
»Hauptmann Garven«, sagte sie.
Mit der Miene eines Mannes, der in sein
Verderben läuft, stellte Garven sich vor Bloëdhgarm hin, schloss
die Augen und untersuchte unter angestrengtem Stirnrunzeln das
Bewusstsein des Elfs. Nasuada biss sich auf die Lippen. Als Kind
hatte ihr ein einbeiniger Mann namens Hargrove beigebracht, wie man
sich vor Gedankenlesern schützt und die stechenden Lanzen eines
mentalen Angriffs blockiert und ablenkt. Sie beherrschte beides
hervorragend. Und obwohl sie es nie geschafft hatte, selbst Kontakt
zu den Gedanken eines anderen herzustellen, war sie doch gründlich
mit dem Verfahren vertraut. Deshalb konnte sie sich vorstellen, wie
schwierig und heikel Garvens Aufgabe war; eine Herausforderung, die
durch das fremde Wesen der Elfen nicht gerade leichter wurde.
Angela beugte sich zu ihr und flüsterte:
»Ihr hättet mir das überlassen sollen. Das wäre sicherer
gewesen.«
»Vielleicht«, sagte Nasuada. Obwohl die
Heilerin ihr und den Varden schon oft geholfen hatte, fühlte sie
sich immer noch unwohl dabei, sich bei offiziellen Anlässen auf sie
zu verlassen.
Garven war noch einige Minuten lang
beschäftigt, dann schlug er die Augen auf und atmete mit einem
Stoßseufzer aus. Sein Gesicht und Nacken waren fleckig vor
Anstrengung und seine Pupillen erweitert, als wäre es Nacht.
Bloëdhgarm hingegen schien völlig unberührt. Sein Fell war glatt,
die Atmung gleichmäßig und um seine Mundwinkel spielte ein
spöttisches Lächeln.
»Nun?«, fragte Nasuada.
Es schien eine ganze Weile zu dauern, bis
Garven ihre Worte verstanden hatte, dann sagte der stämmige
Hauptmann mit der Hakennase: »Er ist kein Mensch, Herrin. Daran
besteht für mich kein Zweifel. Kein Zweifel, welcher Art auch
immer.«
Froh und zugleich beunruhigt, denn seine
Antwort schien irgendwie aus weiter Ferne gekommen zu sein, sagte
Nasuada: »Sehr gut. Weitermachen.« Garven brauchte jetzt immer
weniger Zeit für jeden einzelnen Elf, für den allerletzten genügten
ihm wenige Sekunden. Nasuada behielt ihn scharf im Auge und sah,
wie seine Finger weiß und blutleer wurden, die Haut an seinen
Schläfen einsank wie die Trommelfelle eines Frosches und seine
Bewegungen schließlich so träge wurden wie die eines Schwimmers
tief unter Wasser.
Als er fertig war, bezog Garven wieder
Posten neben Nasuada. Er war jetzt ein anderer Mensch. Seine wilde
Entschlossenheit und Härte waren der Verträumtheit eines
Schlafwandlers gewichen, und als er sie auf ihre Frage, ob alles in
Ordnung sei, nachdenklich ansah und in vollkommen teilnahmslosem
Ton antwortete, hatte Nasuada das Gefühl, dass sein Geist irgendwo
in weiter Ferne auf den sonnenbeschienenen Lichtungen der
geheimnisvollen Elfenwälder umherwanderte. Sie hoffte, dass er sich
bald erholen würde. Wenn nicht, würde sie Eragon oder Angela,
vielleicht auch alle beide, bitten, sich um Garven zu kümmern. Bis
dahin, beschloss sie, würde er nicht mehr aktiv bei den Nachtfalken
dienen. Jörmundur sollte ihm etwas Einfaches zu tun geben, damit
sie sich nicht vorwerfen musste, ihn noch weiter zu quälen. Dann
konnte er die Visionen wenigstens genießen, die ihm sein Kontakt
mit den Elfen beschert hatte.
Erbittert über diesen Verlust und wütend auf
sich selbst, die Elfen, Galbatorix und das Imperium, derentwegen
solch ein Opfer nötig war, fiel es ihr schwer, höflich und
zuvorkommend zu bleiben. »Ihr hättet gut daran getan, Bloëdhgarm,
uns bei Eurer Warnung darauf hinzuweisen, dass auch jene, die es
schaffen, in ihre Körper zurückzukehren, nicht unbeschadet
davonkommen.«
»Mir geht es gut, Herrin«, beteuerte Garven,
aber seine Stimme war so schwach und leise, dass ihn kaum jemand
hörte und Nasuadas Empörung nur noch wuchs.
Bloëdhgarms Nackenfell sträubte sich. »Wenn
ich mich vorhin nicht klar genug ausgedrückt habe, entschuldige ich
mich. Aber macht uns keine Vorwürfe für das, was geschehen ist. Wir
können nichts für unsere Natur. Und macht auch Euch selbst keine
Vorwürfe, denn wir leben in einer Zeit des Misstrauens. Es wäre
verantwortungslos gewesen, uns unbehelligt passieren zu lassen. Es
ist bedauerlich, dass dieses historische Treffen zwischen uns von
einem so unerfreulichen Ereignis überschattet wird, aber zumindest
könnt Ihr jetzt sicher sein, dass wir sind, was wir zu sein
scheinen: Elfen aus Du Weldenvarden.«
Eine frische Moschuswolke zog an Nasuada
vorbei, und trotz ihrer Verbitterung bekam sie weiche Knie und
musste plötzlich an mit Seide ausgekleidete Frauengemächer denken,
an Pokale voll Kirschwein und die wehmütigen Zwergenlieder, die sie
so oft durch die leeren Flure von Tronjheim hatte hallen hören.
Zerstreut sagte sie: »Ich wünschte, Eragon oder Arya wären hier,
denn sie hätten in Euren Geist eindringen können, ohne um ihren
Verstand fürchten zu müssen.«
Erneut erlag sie der betörenden Wirkung von
Bloëdhgarms Duft und stellte sich vor, wie es sich anfühlen musste,
mit den Händen durch seine Mähne zu fahren. Sie kam erst wieder zu
sich, als Elva sie am linken Arm zog und damit zwang, sich zu ihr
hinabzubeugen und das Ohr an den Mund des Hexenkindes zu legen. Mit
leiser, rauer Stimme sagte Elva: »Andorn. Denk an den Geschmack von
Andorn.«
Nasuada folgte der Aufforderung und beschwor
eine Erinnerung aus dem vergangenen Jahr herauf, als sie bei einem
Festmahl König Hrothgars Andorn-Naschzeug gegessen hatte. Schon der
Gedanke an den bitteren Geschmack der Bonbons trocknete ihr den
Mund aus und neutralisierte den verführerischen Moschusduft. Um
ihre vorübergehende Geistesabwesenheit zu überspielen, sagte sie:
»Meine kleine Begleiterin hier fragt sich, warum Ihr so anders
ausseht als die übrigen Elfen. Ich muss gestehen, dass ich auch ein
wenig neugierig bin. Eure Erscheinung entspricht nicht dem, was wir
von einem Elf erwartet hätten. Wärt Ihr wohl so freundlich, uns die
Gründe für Euer eher animalisches Äußeres zu erklären?«
Bloëdhgarm zuckte mit den Schultern und sein
Fell kräuselte sich schimmernd. »Es gefällt mir einfach«, sagte er.
»Manche schreiben Gedichte über Sonne und Mond, andere züchten
Blumen, bauen prächtige Häuser oder komponieren Musik. Sosehr ich
all diese Kunstformen auch schätze, ich glaube doch, dass wahre
Schönheit nur in den Fängen des Wolfes, dem Fell der Waldkatze und
den Augen des Adlers zu finden ist. Also habe ich mir diese
Attribute angeeignet. In hundert Jahren interessieren mich die
Landtiere vielleicht nicht mehr, und ich komme zu dem Schluss, dass
nur die Tiere des Meeres alles Schöne verkörpern. Dann lege ich mir
ein Schuppenkleid zu, verwandle meine Hände in Flossen und meine
Füße in einen Schwanz. Bloëdhgarm verschwindet in den Wellen und
ward nie mehr in Alagaësia gesehen.«
Falls er scherzte, wie Nasuada annahm, ließ
er es sich jedenfalls nicht anmerken. Ganz im Gegenteil war er so
ernst, dass Nasuada sich fragte, ob er sich wohl über sie lustig
machte. »Sehr interessant«, erwiderte sie. »Ich hoffe, das
Bedürfnis, ein Fisch zu werden, überkommt Euch nicht so bald, denn
wir brauchen Euch vorläufig noch auf dem Trockenen. Sollte
Galbatorix allerdings darauf verfallen, auch die Haie und Lachse
versklaven zu wollen, nun ja, dann könnte ein Magier, der unter
Wasser atmen kann, möglicherweise ganz nützlich sein.«
Ohne Vorwarnung erfüllte plötzlich das
silberhelle Gelächter der zwölf Elfen die Luft und die Vögel im
Umkreis von über einer Meile brachen in Gezwitscher aus. Ihr
fröhlicher Gesang hörte sich an wie das Plätschern von
Wassertropfen auf Glas. Nasuada musste unwillkürlich lächeln und
auch die Leibwächter um sie herum verzogen die Mundwinkel. Selbst
die beiden Urgals wirkten ganz ausgelassen vor Freude. Und als die
Elfen verstummten und die Welt wieder nüchtern wurde, war Nasuada
traurig, als erwache sie aus einem schönen Traum. Ein paar
Herzschläge lang verdüsterte ein Tränenschleier ihren Blick, dann
war auch das vorbei.
Bloëdhgarm lächelte jetzt zum ersten Mal und
wirkte dabei gleichzeitig gut aussehend und erschreckend. »Es wird
uns eine Ehre sein, einer Frau zu dienen, die so intelligent, fähig
und geistreich ist wie Ihr, Nasuada. Irgendwann, wenn es Eure
Pflichten erlauben, würde ich Euch gern unser Runenspiel zeigen.
Ich bin sicher, Ihr wärt eine beeindruckende Gegnerin.«
Der plötzliche Stimmungswechsel der Elfen
erinnerte sie an ein Wort, das die Zwerge früher in ihrem Beisein
oft verwendet hatten, um die Elfen zu beschreiben: kapriziös. Als Mädchen war ihr das ziemlich
harmlos vorgekommen, denn es hatte ihre damalige Vorstellung von
den Elfen nur bestätigt. Sie waren Wesen, die von einem Vergnügen
zum andern flatterten wie Feen in einem Blumengarten. Doch jetzt
begriff sie, was die Zwerge in Wirklichkeit gemeint
hatten: Vorsicht! Bei einem Elf kann man
nie wissen, was er im nächsten Moment tut. Sie seufzte
innerlich bei der Aussicht, sich schon wieder mit einer so
unberechenbaren Spezies herumschlagen zu müssen. Ist das Leben eigentlich immer so
kompliziert?, fragte sie sich. Oder liegt es an mir?
Sie sah jetzt König Orrin vom Lager her an
der Spitze eines mächtigen Trosses von Edelleuten, Höflingen, hohen
und niederen Beamten, Beratern, Assistenten, Dienern, Soldaten und
einer Unmenge anderer Gestalten, die zu identifizieren sie sich
nicht die Mühe machte, auf sie zureiten, während im Westen Saphira
mit ausgebreiteten Flügeln im Sturzflug heranschoss. Nasuada
wappnete sich gegen den lärmenden Ansturm, der gleich über sie
hereinbrechen würde, und sagte: »Es kann zwar ein paar Monate
dauern, bis ich Gelegenheit finden werde, Euren Vorschlag
anzunehmen, Bloëdhgarm, aber ich weiß ihn trotzdem zu schätzen. Nur
zu gern würde ich nach einem langen Arbeitstag Zerstreuung in einem
Spiel finden. Vorläufig aber müssen wir das Vergnügen noch
aufschieben, jetzt wird erst mal das ganze Gewicht der menschlichen
Gesellschaft auf Euch niederfahren. Ich schlage vor, Ihr macht Euch
auf eine Flut von Namen, Fragen und Bitten gefasst. Wir Menschen
sind ein merkwürdiger Haufen und keiner von uns hat jemals so viele
Elfen gesehen.«
»Darauf sind wir vorbereitet, Nasuada«,
erwiderte Bloëdhgarm.
Als König Orrins donnernder Zug heranrückte
und Saphira zur Landung ansetzte, sodass der Wind, den ihre Flügel
erzeugten, das Gras niederdrückte, war Nasuadas letzter
Gedanke: Oje! Ich werde ein ganzes
Bataillon um Bloëdhgarm aufstellen müssen, damit die Frauen im
Lager ihn nicht in Stücke reißen. Und selbst das wird das Problem
möglicherweise nicht lösen können.